Irleturm


Der Irleturm 


Am Weg von Rheinbreitbach nach Menzenberg (heute Simrockstraße) steht versteckt am Waldrand ein alter Turm: der Irleturm.



Irleturm 1901 (Detail aus Ansichtskarte), im Vordergrund Carl Irle
Quelle: privat




Irleturm 2013
Foto: privat

Die Fundamente reichen vermutlich bis in das 17. Jahrhundert zurück. Damals befand sich direkt oberhalb des Turmes im heutigen Wald ein großer Weinberg. 1795 waren die Ländereien im Besitz des Klosters Santa Lucia aus Köln und wurden von zwei Halbwinnern bewirtschaftet. 

1805 wurden sie im Zuge der Säkularisierung dem Fürsten von Nassau zugeschlagen und gingen danach in den Besitz der Grafen von Renesse Breitbach über.


Wappenstein der „Herren von Breitbach“ (HVB) aus dem Jahre 1750, eingemauert im Irleturm
Foto: privat

Die genaue Funktion des Gebäudes ist bisher ungeklärt. Es könnte ein alter Wachturm im Weinberg gewesen sein, ein sogenannter „Duffes“ - wie er auch heute noch unterhalb des Drachenfelses in Rhöndorf steht. Aufgrund der massiven Bruchsteinwände und der strategisch guten Überblickslage ist aber auch eine Deutung als Beobachtungsturm im Zusammenhang mit der Rheinbreitbacher Ortsbefestigung denkbar. 

Um 1850 war das Gebäude bereits eine Ruine. Die Katasterkarten verzeichnen es aber weiterhin als „Hofraum“. 





Titelvignette aus Karl Simrocks Werk "Das Rheinland", 1865 
Foto: Karsten Keune 


Die Titelvignette von Karl Simrocks 1864 erschienen berühmten Werk "Das Malerische und Romantische Rheinland" zeigt den Blick durch die Ruine eines alten Turms auf Rheinbreitbach und das Rheintal. Es spricht vieles dafür, dass die Ruine des Irleturms, der sich nur unweit von Simrocks Landgut "Haus Parzival" befand, als Inspiration für den Stich diente.

Ein Foto um das Jahr 1890 zeigt die Reste des alten Turms inmitten der bereits verwilderten Weinberge. Zwischen den massiven Bruchsteinmauern des noch knapp zwei Stockwerke hohen Gebäudes sind die Eingangspforte sowie ein darüber liegendes Fenster erkennbar.



Die Ruine des alten Turmes um 1890, 
rechts im Vordergrund der Turm des neugebauten Hotels Elisenhof.
Quelle: Alte Ansichtskarte


Ende des 19 Jahrhunderts erwarb der Kölner Kaufmann Carl Irle die Ruine und ließ sie wieder aufbauen. Der Turm erhielt Sandsteinecken, im oberen Bereich gotische Fenster, einen Fachwerkvorbau sowie Zinnen. Die schlichte ursprüngliche Eingangstür an der Westseite wurde übernommen. Fortan trug der Turm den Namen seines neuen Besitzers: Irleturm.



Blick 1901 vom Irleturm über noch nicht zugebaute Felder gen Honnef und Drachenfels

Quelle: privat


Die genaue Funktion des Irleturms bleibt bis heute ein Geheimnis, da er als Villa zur „Sommerfrische“ oder als Wohnhaus zu klein war. Irle erwarb Zug um Zug die Ländereien um den alten Turm, so dass der Park 1921 bereits 30.000 m² umfasste.

Der Dichter Guillaume Apollinaire setzte dem Turm um 1901 in einem Vers an seine unerwiderte Liebe zu Annie Playden ein literarisches Denkmal.

"In den Obstgärten von Avalon von den Äpfeln verführt
Hat der Sänger beim Mundraub die Myrrhe verloren
Die Dame auf dem Turm lächelt, wenn man sie bewundert
Irren wir im Schatten, wo die Hydra letzten Sommer gepfiffen hat."

Quelle:Kurt Roessler:“ Der Dichter Guillaume Apollinaire und Bad Honnef, 2008, Übersetzung des Gedichtes nach Kurt Roessler. 

Die „ Obstgärten von Avalon“ waren die großen Apfelgärten unterhalb des Irleturms – wer war wohl die Dame, die vom Turm lächelt, wenn man sie bewundert…?


Die unbebauten Obstgärten vor Haus Hohenbreitbach in der Simrockstraße mit Blick auf den Drachenfels
Quelle: Privat




Der Irleturm gezeichnet von Franz Neunkirchen
Quelle: Hermann Neunkirchen


1923 wurde der Turm durch August Kauermann, Industrieller aus dem Ruhrgebiet, in einen herrschaftlichen Besitz mit englischer Parklandschaft umgewandelt. Die Villa schloss auch den alten Irleturm ein. Am Hasenborn (Rheinblickstraße) befand sich das Torhaus. Unterhalb der Villa gab es eine größere Spalierobstanlage und weiter nach Norden einen großen Gemüsegarten.
Quelle: Franz Josef Federhen


Blick 1923 von der Rückseite des Hauses Hohenbreitbach ins nur wenig bebaute Rheintal (kurz vor der Fertigstellung des Umbaus von Haus Hohenbreitbach, seitlich links die Zinnen des Elisenhofs)
Quelle: Privat, aus dem Nachlass der Familie Zech, wohnhaft in den 30ger Jahren im Haus Hohenbreitbach


Haus Hohenbreitbach in den 1930er Jahren, rechts der Irleturm noch verputzt
Quelle: Privat


In den Jahren 1943 bis 1945 war die Villa Zufluchtsort für jüdische Freunde und Künstler, die hier von den damaligen Besitzern, der Familie Zech, versteckt wurden. Noch heute hat der alte Irleturm Geheimräume und alte Tapetentüren.




Haus Hohenbreitbach mit Irleturm in den 1950er Jahren am Waldrand,
im Vordergrund die Streuobstwiesen, die Umgebung ist noch nicht bebaut
Quelle: Privat



Haus Hohenbreitbach 2013, rechts der Irleturm mit später aufgesetztem Fachwerk statt der alten Zinnen
Foto: privat


Tief unter der Erde unter einem alten Ahornbaum liegt der Weinkeller des Hauses. Hier herrscht eine Temperatur von konstant etwa 11 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von 90% bis 95%, also ideale Bedingungen für die Lagerung von Rotwein. 



Weinkeller im Haus Hohenbreitbach
Foto: privat


Neben dem Kloster St. Lucia besaß der Jesuitenorden in den Weinbergen zwischen Bad Honnef und Rheinbreitbach bis zu seiner Auflösung 1773 große Besitzungen in den Weinbergen. Zur Kennzeichnung seiner Besitztümer markierte er diese mit Grenzsteinen.

Der abgebildete Grenzstein, auch Jesuitenstein genannt, stammt aus der Zeit vor 1750 aus den Weinbergen rund um den 
Irleturm. Heute steht dieser zum Gedenken an dessen Geschichte vor dem alten Turm.


Jesuitenstein
Foto: privat