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Die stigmatisierte Jungfrau im Siebengebirge



Der gesegnete Ort Rheinbreitbach oder die stigmatisierte Jungfrau im Siebengebirge





Das Mühlrad, hier Holzlarer Mühle, Juni 2017
Foto: Dankward Heinrich





1877 und 1878 

In dieser Zeit spielte sich auch der bekannte religiöse Schwindel in der oberen Mühle ab. Dem Müllermeister Peter Weiler starb 1877 im Mai seine Frau (geb. in Linz a. Rh.) und hinterließ ihm zwei Mädchen mit Namen Maria und Lena Weiler. Sie waren ungefähr 10 u. 8 Jahre alt. 

Er nahm sich aus seiner Heimat (aus der Eifel in der Gegend von Daun) die Tochter von seinem Bruder als Haushälterin in das Haus. Sie war ungefähr 24 Jahre alt mit Namen Anna Maria Weiler. Sie galt als ein sehr frommes Mädchen und wusste durch ihr Verhalten in der Kirche diesen Ruf noch zu vermehren. Sie ging meistens in das Hochamt und nach der Heiligen Messe verweilte sie noch im Gebete vor'm Muttergottes-Altar. Dann kniete sie öfter mit ausgebreiteten Armen, als wenn sie die Heiligen fünf Wunden ...

... betete vor dem Altar, indem die anderen Gläubigen nach Hause gingen und wir Messdiener die Kerzen ausmachten. Dann hieß es, sieh einmal, was der Meister Weiler für ein frommes Mädchen in seinem Haus hat. Damals war ich 13 Jahre alt und ging das letzte Jahr in die Schule. 

Mein Bruder Josef war 15 Jahre und arbeitete auf dem Virneberg. Sein Kamerad Josef Müller wohnte fast neben der Mühle. In der Woche vor Weihnachten 1877 kam mein Bruder Josef von seinem Kamerad Müller des Abends nach Hause mit der Neuigkeit (wir waren gerade am Essen und er hatte sich neben mich gesetzt):

"Denke mal", sagte er, "das Anna Mariechen in der Mühle hat die Muttergottes gesehen und sie hat ihr gesagt, sie würde öfter wiederkommen." Wir wunderten uns alle. Mein Vater aber sagte: "Dummheit, so was glaube ich nicht." Dabei machte mein Vater zu seinem Bruder Christoph Westhofen (welcher als Junggeselle immer bei uns war und später im Jahr 1903 bei mir gestorben ist – 75 J. alt) eine Bemerkung, die wir Kinder nicht verstanden. Mein Bruder aber ließ sich nicht einschüchtern: "Doch! Doch!" sagte er, "Die Mutter-Gottes hat ihr auch offenbart, sie bekäme in der nächsten Fastenzeit die Heiligen fünf Wunden!" Über das Wunder waren wir natürlich alle erstaunt, aber nicht mein Vater.

Der sagte nun ganz still "Das ist nicht die Wahrheit, so eine Person hält unser Gott dafür nicht würdig", das wüsste er. Was er damit meinte, konnten wir Kinder damals nicht verstehen. Später hörten wir, dass unser Vater, wie er Korn nach der Mühle gebracht hat, darüber gekommen ist und gesehen hat, was nicht zum Anstand gehört und deshalb war er, sein Bruder Christoph und Leonhard Krähmer (ein Junggeselle, ist auch als Junggeselle gestorben) von Anfang an öffentlich Gegner davon. 

Mein Vater sagte zu uns "Bedenkt doch, der Heilige Franz von Sales hatte die Heiligen fünf Wunden und hat sich nicht würdig dafür befunden. Er hat es der Welt 7 Jahre verborgen bis es ohne sein Zutun in die Öffentlichkeit gekommen ist und hier sprechen sie schon ein halbes Jahr vorher davon. Wir wollen abwarten." und von der Zeit an war er und auch der Leonhard Krähmer öffentlich dagegen. 

Damals waren noch wenige Leute, welche sich eine Zeitung hielten und so haben mein Vater, sein Bruder und Leonhard Krähmer ein Sonntagsblatt gehalten, das Eucharistische (?) Blatt aus Trier. Wenn sie nun sonntags dann am Lesen waren, habe ich oft Gelegenheit gehabt, wie sie sich über die Wundermühle lustig machten.

Zumal auch in der nämlichen Zeit der Schwindel von Marpingen an der Mosel passiert war. Da sollten Kinder die Heilige Muttergottes im Wald gesehen haben und eine Quelle wäre dort entsprungen, welche Wunderkraft enthielt. Habe selbst gesehen, dass Hausierer das Wasser verkauften, ein schmales langes Fläschchen voll für 1 Mark. Marpingen haben sie mit Soldaten belegt und von der Zeit an hörte alles auf. Es waren sogar Schriften darüber ausgegeben.

In der Zeit von Weihnachten bis zur Fastenzeit 1878 hörte man öfter von der hoch begnadeten Maria Weiler sprechen und sie wurde als tugendhaft gepriesen. Nun kam der erste Freitag in der Fastenzeit. Das Unglaubliche war passiert. Die Heilige Muttergottes mit dem Jesukinde war ihr erschienen und sie hatte die fünf Wunden.

Viele gingen hin zur Mühle um sie zu sehen und einer erzählte es dem anderen von ihren Leiden. Sie mussten an der Mühle die Türen schließen und ließen das Volk, in Abteilungen von sechs, unten an der Tür nach dem Wald zu herein und oben nach der Straße zu, wo das Wasser auf das Mühlenrad läuft heraus. 

Meine Mutter war im Jahre 1877 im November gestorben. Meine Schwester Ursula führte bei uns die Haushaltung. Ich hörte nun, wie die Nachbarn kamen und sie aufforderten, sie sollte auch sehen gehen. Als sie zurück kamen hat sie erzählt:

"Zu sechsen wurden wir hereingelassen, zwei Mädchen und vier Jungen. Sie waren ca. 20 Jahre alt. Zwei Männer haben sie unten eingelassen. Dann ging es durch den Hausflur nach der Mühle die Treppe hinauf. Oben in der Kammer rechts nach der Straße zu lag das Mädchen im Bett. Beim Eintreten nahmen sie an der Tür aus einem hierfür aufgestellten Behälter Weihwasser und besprengten sich. Dann knieten sie nieder und beteten.

Sie hatte gerade nach Aussage von ihrem Oheim Peter Weiler die Leidensstunde. Der Oheim hatte sie in den Armen liegen und stand neben dem Bett und tröstete sie mit den Worten: 'Oh, Maria, für alles Gott zur Ehre! Oh, Maria, alles zur Ehre Gottes! Oh, Maria, denke an die Muttergottes! Alles Gott zu Ehren!',  usw.

Sie aber krümmte sich im Bett und stöhnte schmerzlich. Dabei griff sie sich nach Händen und Füßen. Wie sie nun etwas ruhiger wurde zeigte uns der Weiler die Wunden auf den Händen und an den Füßen. Die Wunden waren aber nur auf den Händen und auf den Füßen an der inwendigen Seite. Und unter den Füßen war nichts zu sehen. Dabei bemerkte meine Schwester noch, dass die Füße so schmutzig gewesen wären - alter Dreck, und einer meinte, sie hätte die Füße, seitdem sie auf der Welt wäre, nur einmal gewaschen bekommen. 

Der Oheim hat ihnen gesagt, wenn keine Männer bei ihnen wären, würde er ihnen auch die Seitenwunde zeigen. Nun mussten sie wieder gehen, weil um die ganze Mühle noch Menschen warteten, welche auch noch sehen wollten.

Oben an dem Ausgang standen zwei andere Männer, welche sie hinaus ließen. Hier ist zu bemerken, dass sich in Rheinbreitbach über die Männer gewundert wurde, welche dort in der Mühle Hilfe leisteten. Einer namens Perzhorn, wohnhaft in Scheuren bei Unkel, hatte schon eine entehrende Strafe gebüßt, einer mit Namen Ehrenberg, geboren vom Westerwald, früherer Mühlenknecht, dann der Karl Lanzberg, welcher mit seinen Eltern Prozesse hatte und schon flüchtig war, usw., wieder einer namens Mohr, Pater Mohr genannt, weil er schon auf evangelischen Pastor studiert hatte und noch zwei andere. Aber sie standen alle, wie ich als Kind und auch später hörte, in keinem so frommen Ruf. 

Das Volk glaubte meistens an den Schwindel. Am meisten bekämpft hat ihn Leo Krähmer und mein Vater, selig Heinrich Westhofen. Sie wurden bedroht, man würde sie steinigen. 

Der zweite Freitag in der Fastenzeit kamen die Menschen schon nach der Mühle, um zu beten, sogar von der linken Rheinseite. Den dritten und letzten Freitag kam von der Zeitung in Linz a. Rh. ein Redakteur und hat Zeichnungen von der Mühle gemacht und ein Artikel mit der Überschrift: "Der gesegnete Ort Rheinbreitbach oder die stigmatisierte Hausfrau am Siebengebirge".

In der Nähe der Mühle ist ein Brunnen, der Koppelsbrunnen. Da gingen viele hin und haben sich in Flaschen das heilbringende Wasser abgefüllt. Das Dorf war voll von Fremden, so dass die meisten Geschäfte ausverkauft hatten. 

Gegen 2 Uhr wurde bekannt, dass das Gericht von Neuwied käme. 
Gegen 3 Uhr kamen die Herren und haben die hl. Maria Weiler und ihren Onkel Peter Weiler in einen Einspänner geladen. Vorn gingen und auch hinten zwei Gendarmen mit aufgepflanzten Gewehr. Am letzten Haus in der Korfgasse stand ich und sah mich nach dem Volk um. 

Da sehe ich, dass ein Breitbacher einen Pflasterstein aufhebt und warf an mir und dem roten Wachtmeister, welcher links vor mir ging, vorbei. Der Wachtmeister machte kehrt und sagte: "Ihr lieben Leutchen, nehmt doch Vernunft an. Wenn das bei dem Mädchen auf Wahrheit beruht, so bekommt ihr es bald wieder. Hätte ja das Recht, auf euch zu schießen, würde aber dann doch den richtigen nicht treffen, also verhaltet euch ruhig". Es ist auch nichts weiter passiert, nur dass an der Kapelle die alte Schese (der Wagen) umgeschlagen soll sein und das Volk hat gerufen: "Das ist ein Zeichen von Gott!" Der nach dem Wachtmeister geworfen hat, war Albert Lindener. 

Nun ist sie mit ihrem Onkel nach Neuwied eingeliefert worden und den anderen Tag hörte man schon, dass alles Schwindel war. Sie sollte ja auch während der Fastenzeit nichts essen, nur die Heilige Kommunion empfangen. Sie hatte aber die erste Nacht was von sich gegeben. Das zeugte von einem guten Appetit. 

Zu Ehren unserer Geistlichkeit sei erwähnt, dass der Herr Pastor Gilisen und auch der Vikar Schmitt sich ganz heraus gehalten haben. In der Zeit war ich Messdiener, kann mich aber nicht erinnern, dass die hl. Kommunion in die Mühle getragen worden ist. 

Der Prozess ist in Koblenz gemacht worden. Ihr Anwalt wollte sie ganz frei haben. Er sagte, ich kann mich schneiden und kasteien, darüber gibt es kein Gesetz. Sie hat aber zwei Jahre und der Oheim ein halbes Jahr bekommen wegen religiösen Unfug und Volksauflauf. 

Peter Weiler ist hier ganz arm gestorben. Seine beiden Mädchen waren hier verheiratet, Frau Mühlenbein und Frau Lindener. Die stigmatisierte Jungfrau soll später in ein Kloster gegangen sein.























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